TSV Bayer 04 Leverkusen: Durch Sport fit für die Gesellschaft

Durch Sport fit für die Gesellschaft

 

Während Serhat mit dem Ball quasi im Slalom durch die Verteidigung tänzelt und anschließend zum gezielten Schuss ansetzt, steht Lirian eher teilnahmslos auf dem Feld, die Kapuze hochgezogen, Blick nach unten. Übungsleiter Jim Weyerstraß entgeht das nicht. Er geht zu dem 13-Jährigen und ermutigt ihn mitzumachen. Und tatsächlich: Wenig später steht Lirian sogar mit einem anderen Jungen nebeneinander und gibt ihm Tipps.

 

Kurz darauf geraten an anderer Stelle zwei andere Schüler aneinander, ein mutmaßliches Foul war der Auslöser. Auch hier ist Jim gefragt, die Situation zu bereinigen. Viel Zeit bleibt dem Dualen Studenten des TSV Bayer 04 Leverkusen nicht, denn das Spiel muss im Gang bleiben. Leerlauf ist der größte Gegner in dieser Gruppe von Kindern und Jugendlichen mit dem „Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung“. In jedem Moment, in dem nichts passiert, kann etwas passieren. Daher ist es gut, dass Jim die Gruppe mit dem Freiwilligendienstleistenden Malte betreut, zudem sind mit Sonja Wenzel und Jan Heindrihof meist zwei Lehrkräfte der Pestalozzi-Schule dabei, um zu unterstützen. „Anders ist so eine Gruppe nicht zu bewerkstelligen“, erklärt Michael Konermann. Er betreut zusammen mit Felix Ridder das von der Bezirksregierung Köln, Fachberatung durch Integration und Bildung, ins Leben gerufene Projekt „berufsfit4all“. Darüber wurde diese AG initiiert und wird weiterhin begleitet.

 

„Das Ziel solcher Gruppen ist es, zu einer gewissen Gesellschaftsfähigkeit zu kommen“, berichtet Konermann. Aktuell seien diese Schüler im Alter von 10 bis 15 Jahren, häufig aufgrund ihrer fehlenden Impulskontrolle, nicht in der Lage, an klassischen Angeboten eines Sportvereins teilzunehmen. Anders ist es in dieser speziellen Konstellation, in der sich die Jungs als Schulsportgemeinschaft immer freitags in der Mittagszeit beim TSV treffen. Hier wird überwiegend Fußball gespielt, manchmal setzen Jim und Malte auch eine Koordinationsleiter ein oder spielen Zehnerball.

 

 „Für die Schule und vor allem für die Kinder und Jugendlichen ist diese Gruppe unheimlich wichtig“, erklärt Sonderpädagoge Jan Heindrihof. „Die Jungs lernen, sich außerhalb ihrer gewohnten Schulumgebung und mit anderen Übungsleitern zurechtzufinden. Diese Möglichkeit haben sie ansonsten nicht“, unterstreicht der Lehrer. Seine Hoffnung ist, dass es der eine oder andere schafft, sich auch über die AG hinaus mal einem Sportverein anschließen zu können. „Viele fallen nach der Schule in ein Betreuungsloch, da kümmert sich niemand um sie“, weiß auch Michael Konermann, der genau deswegen solche Sozialprojekte über die Bezirksregierung anschiebt. „Beim TSV haben wir hervorragende Rahmenbedingungen“, freut sich Michael Konermann und hat bezüglich der Dauer der Kooperation nur einen Wunsch: „Dass sie noch möglichst lange weitergeht!“

 

Auch beim TSV Bayer 04 kommt die Initiative gut an: Geschäftsführerin Anne Wingchen verweist auf das Selbstverständnis des Clubs: „Es gehört zur DNA unseres Vereins, auch soziale Verantwortung zu übernehmen. Wir freuen uns, wenn das in der Praxis und in Kooperation mit anderen Institutionen so gut funktioniert wie in diesem Fall“, betont Anne Wingchen.

 

Und wie so häufig hängt ganz viel vom Menschen ab – so auch bei den Übungsleitern, von denen Sonderpädagoge Jan Heindrihof ganz angetan ist: „Jim und Malte haben eine super Ansprache und sind eine totale Bereicherung für uns.“ Die beiden Studenten bewegen sich dabei immer in einem Spannungsfeld: „Auf der einen Seite wollen wir natürlich locker an die Sache herangehen, auf der anderen Seite brauchen die Jungs auch ganz klare Regeln und Ansagen“, erklärt Jim Weyerstraß. Jüngste Maßnahme: Da die Kicker zum Teil übertrieben harte Schüsse abgegeben hatten, wurde der Lederball gegen einen Softball getauscht. Dem Spaß am Spiel tat das keinen Abbruch. Serhat umspielt weiterhin elegant die Gegenspieler, gibt den Ball aber auch mal ab, und vielleicht ist es ja mehr als ein subjektives Empfinden, das auch Lirian trotz aufgesetzter Kapuze schon mit etwas mehr Elan dabei war. Spätestens beim Elfmeterschießen kam jeder nochmal zum Zuge, bevor auch diese Einheit endete – nach 60 Minuten intensiver und wichtiger Erziehungs- und Beziehungsarbeit.